Der versteht das ja doch nicht!

Der Kinder-Hospizdienst Saar veranstaltete seine 13. Fachkonferenz in Neunkirchen mit dem Schwerpunktthema: „Hospizarbeit und Trauerbegleitung für Menschen mit geistiger Behinderung“

Der Bewohner der Behinderteneinrichtung wusste zwei Jahre nach dem Versterben seiner Mutter immer noch nichts von ihrem Tod. Sie kam einfach nicht mehr. Für den behinderten Menschen eine tragische Situation, die niemand so erleben möchte. Ein Einzelfall oder gängige Praxis? Für die über 70 Besucher der 13. Fachkonferenz zur Kinderhospizarbeit auf jeden Fall ein Thema, das aufrüttelt und betroffen machte. „Wie kann man den Willen von Menschen mit geistiger Behinderung erfassen?“ „Wie erleben behinderte Menschen ihre Trauer?“ „Und wie können wir insbesondere behinderte Kinder in ihrer Trauer begleiten?“

Zwei Referenten und ein Podiumsgespräch mit Vertretern aus der Seelsorge, Hospiz- und Behindertenarbeit gaben Denkanstöße und berichteten aus der Praxis mit vielen wertvollen Anregungen und Einsichten.

Der erfahrene Palliativmediziner Dr. Dietrich Wördehoff erläuterte, auf welche Weise es gelingen kann, den Patientenwillen behinderter Menschen zu dokumentieren. Auch wenn Hilfsangebote wie Patientenverfügung in einfacher, bildhafter Sprache zur Verfügung stehen, besteht eine besondere Herausforderung bei Menschen, mit denen eine verbale Verständigung nicht oder nicht mehr möglich ist. Im Krankheitsfall müssen die juristischen Vertreter ethisch schwierige Fragen wie beispielsweise „Künstlich ernähren – ja oder nein“ entscheiden. Aber auch hier gibt es Wege zur Entscheidungsassistenz: Dr. Wördehoff nennt genaue Beobachtung, viel Einfühlungsvermögen und eine intensive Auseinandersetzung mit der Biographie des Patienten um Anhaltspunkte zu erhalten.

Alle Beteiligten der Konferenz machten gleichermaßen deutlich: Eine wertschätzende Kommunikation, sowie Gefühle, Ängste und non-verbale Äußerungen ernst zu nehmen sind unerlässliche Grundvoraussetzungen in der Hospizarbeit und Trauerbegleitung behinderter Menschen. Die Realität gestaltet sich oft anders. Sind Kinder oder Erwachsene mit geistiger Behinderung vom Tod eines nahen Menschen betroffen, reagiert das soziale Umfeld nicht selten hilflos und überfordert. Vielfach wird die Fähigkeit zu trauern abgesprochen.

Die Expertin für Trauerbegleitung Stefanie Witt-Loers brachte es auf den Punkt: „Was maßen wir uns an, darüber zu urteilen. Wir müssen anerkennen, wenn Menschen trauern.“ Und sie riet „Wir müssen den Blick weiten!“ Denn Trauer und Verlust erlebe man nicht erst beim Tod eines geliebten Menschen. Verlusterfahrungen und Abschiede begleiten unser Leben. Wir lernen schon von klein auf damit umzugehen und sollten alle die Chance erhalten, die Fähigkeit zu trauern zu entwickeln, so die Referentin.

Das abschließende Podiumsgespräch machte nochmals deutlich: Ein behindertes Kind oder ein behinderter Erwachsener verspüren genauso Verlust und Trauer wie ein Mensch ohne Beeinträchtigung. Mehr sachliches Wissen zu Trauerprozessen ist dabei ein wichtiger Schlüssel. Das Zugeständnis, dass Trauer ein körperlich und seelisch anstrengender Prozess ist, hilft nicht nur Kindern und erwachsenen Menschen mit Behinderung mit dem Verlust leben zu lernen.